Opportunistische Private Debt-Fonds bieten Kreditnehmern bankenunabhängige Finanzierungs-Lösungen und versprechen Anlegern attraktive Renditen. Dafür müssen sie oft nicht einmal weit ins Risiko gehen, und oft nutzen sie je nach Umfeld sogar den liquiden Anleihenmarkt. Über eine Nische mit Potenzial.
Bei vielen Pensionskassen, -fonds, CTAs & Co. sitzt angesichts zuweilen zäher Rückflüsse aus bestehenden Privatmarkt-Anlagen das Geld für alternative Neuanlagen nicht gerade locker. Und wo es wenig zu verteilen gibt, ist man meist umso wählerischer. Genau hier kommen situationsabhängige oder opportunistische Private Debt-Strategien ins Spiel, die bei kontrolliertem Risiko attraktive Mehrerträge in Aussicht stellen.
Der Markt für Private Debt …
Eingangs etwas Orientierung: Wir befinden uns im Corporate Private Debt Markt, d.h. dem Markt, der seit 2010 mit dem zunehmenden Rückzug der Banken aus der klassischen Firmenfinanzierung durch Private Debt-Fonds und die dahinterstehenden Geldgeber enorm gewachsen ist: Inzwischen engagieren sich nach BAI-Angaben deutlich mehr als 70% der institutionellen Investoren in Corporate Private Debt. Besonders während des Zinsanstiegs lernten die Investoren die Vorzüge der Anlageklasse mit variabler Verzinsung und widerstandsfähigen Krediten zu schätzen. PitchBook hat just für den weltweiten Private Debt-Markt ein 2024er-Fundraising von knapp 200 Mrd. US-Doller vermeldet, die globalen Assets des Direct Lending sollen 687 Mrd. UD-Dollar erreicht haben.
… und sein ganz spezieller Sweet-Spot?
Doch Private Debt ist nicht gleich Private Debt, sondern das Segment ist vielfältig: Die meisten Anleger investieren in sehr konservative Senior Secured-Finanzierungen. Auf der anderen Seite des Spektrums stehen die risikobehafteten Distressed Debt-Finanzierungen für Notsituationen.
Und damit endlich zum Punkt: Alles, was nicht in den einen oder den anderen Topf fällt, läuft prinzipiell unter dem Oberbegriff „opportunistisch“. Genau hier könnte gerade so etwas wie der Sweet-Spot des Private Debt-Marktes liegen.
Von Asset light über M&A bis zur Komplexitätsprämie

„Direct-Lending-Manager sehen zunehmend Dealflow bei Situationen, die eben nicht klassisch sind“, sagt Christopher Dax, Berater beim Private Markets Advisor BB Alternatives. So hat sich inzwischen eine ganze Bandbreite an Fondsstrategien mit unterschiedlichen Rendite-Risiko-Profilen entwickelt, die auch starke Wachstumsraten verzeichnen. Je nach Definition gelten dabei teils schon Finanzierungen außerhalb der üblichen Asset-Light-Industrien wie Healthcare, Services und Software als opportunistisch.
Doch auch infolge einer gescheiterten M&A-Transaktion kann es zu besonderen Finanzierungserfordernissen kommen, wenn etwa die bestehende Finanzierung ausläuft. Oder es geht um Mittel für Unternehmen, die nach erfolgreicher Restrukturierung wieder „on track“ sind, aber wegen ihrer Vergangenheit einen zusätzlichen Risikoaufschlag oder eine Komplexitätsprämie bieten müssen. Grundsätzlich unterscheidet Berater Dax zwischen unternehmensinternen und unternehmensunabhängigen Faktoren.
Das heißt: Marktumstände und Unternehmenssituation schaffen Private-Debt-„Opportunitäten“, bspw::
Marktverwerfungen (Marktfaktoren)
• Makro-Gegenwind
• Politische Unsicherheiten
• Veränderung des Investitionsumfelds
• „Black Swan“-Events
• Veränderte Branchenpräferenzen
Finanzierungslösungen (Unternehmensfaktoren)
• Gescheiterte M&A-Transaktionen
• Überschuldete Bilanz
• Regulatorische Änderungen
• Operationelle Probleme
• Inflation der Inputkosten wie Arbeit, Energie, Rohstoffe
• Beschaffungsprobleme
Das Universum expandiert rasant
„Das Spektrum entwickelt sich rasant weiter“, sagt BB-Alternatives-Berater Dax. Und Andreas Mittler, Head of Private Markets Distribution Germany bei Invesco, sieht derzeit besonders im Bereich „Capital Solutions“ viel Bewegung und zeigt dabei eine Grafik, die die „Fixed Charge Coverage Ratio“ (FCCR) von kleinen und mittelgroßen Firmen in Private Equity-Besitz zeigt:
Spiegelbildlich zum Anstieg der Geldmarktzinsen seit 2022 ist deren durchschnittlicher Schulden-Deckungsgrad von 1,4 auf 1,1 gefallen. Der Cashflow reiche gerade noch, um die Marge zu stemmen, zum Investieren bleibe da nicht mehr viel. „Da tritt man als Unternehmen auf der Stelle“, so Mittler. Zwischenzeitlich lag die Ratio sogar bei mehr als 40% der Firmen unter eins.

Diese Schuldenlawine trifft vor allem die älteren PE-Jahrgänge von 2020 bis 2022, erklärt Mittler. „Dahinter stehen gesunde Unternehmen, die einfach einen Finanzierungsbedarf haben“, sagt der Invesco-Spezialist. Da die am stärksten getroffenen PE-Jahrgänge noch einige Jahre laufen, rechnet er damit, dass in nächster Zeit viele Private Equity-Häuser nochmal anklopfen, um als Sponsor über die Kredite ihrer Portfoliofirmen sprechen möchten. Genau da kommen die „Capital Solutions“ ins Spiel, bei denen ein Investor einem an sich gesunden Unternehmen eine Finanzierung stellt, damit es weiter wachsen kann. „Viele der Firmen brauchen im Prinzip nur etwas Luft zum Atmen. Das ist anders, als wenn ich einer Distressed-Firma kurz vor dem Zahlungsausfall nochmals Kapital zuschieße“, so Mittler. Der Ertrag sei aber mit 15 bis 20% internem Zinsfuß (IRR) vergleichbar.
Warum nicht auch mal liquide zugreifen?
Opportunistic Private Debt hat zahlreiche weitere Spielarten. So fahren viele Fonds zweigleisig: Sie zapfen etwa den liquiden, syndizierten Kreditmarkt an, wenn sie dort Chancen sehen, bspw. in der Covid19-Krise, als am Sekundärmarkt zahlreiche Anleihen zu hohem Abschlag gehandelt wurden.
Oder: Manager kaufen „hängende“ Syndizierungen, die nicht vollständig am Markt untergebracht werden können, zu einem Discount. „Damit ergibt sich ein attraktives Return-Profil“, sagt Robin Challis. Dabei geht es oft um ein Wechselspiel, erklärt der Partner im Strategic Credit bei Pemberton AM: In normalen Marktphasen machen die Fonds komplexe und maßgeschneiderte Finanzierungen am Privatmarkt, die auf Grund eines bestimmten Punktes für klassische Strategien ungeeignet sind. Vor allem in Krisensituationen werden sie aber auch am Sekundärmarkt aktiv, indem sie etwa hängende Syndizierungen oder Bonds mit hohem Abschlag kaufen.
Allwetter-Strategie, und zuweilen geht auch mal Equity

Grundsätzlich sollen die opportunistischen PD-Strategien als Allwetter-Strategien über wechselnde Marktumfelder funktionieren. Je nach Strategie wird auch in Nachrangdarlehen oder in gewissem Umfang in Eigenkapital investiert. Der Großteil des Portfolios besteht jedoch zumeist aus erstrangigen und besicherten Finanzierungsinstrumenten.
Mit dem Risiko variiert auch die Renditeerwartung: „Je nach Risiko sprechen wir von zwei bis drei Prozentpunkten oberhalb von klassischem Senior Secured-Private Debt“, sagt Challis. Das reicht teilweise fast an Private Equity heran. „Anleger können allein schon deshalb mit höheren Renditen rechnen, da die zugrunde liegenden Darlehen auf die Bedürfnisse des Kreditnehmers zugeschnitten sind“, so der Pemberton-Experte.
Die Investoren-Nachfrage nach Private Debt bleibt hoch. Die Illiquiditätsprämie ist immer noch signifikant, wenn auch nicht mehr so hoch wie vor fünf Jahren. „Die Spreads sind geschrumpft, aber immer noch deutlich höher als bei den entsprechenden öffentlichen Märkten“, hat Challis registriert. Alle Finanzierungen seien zudem variabel verzinst, Schocks aufgrund von Zinsschwankungen damit ausgeschlossen. Bei vielen Finanzierungen etwa im Capital Solutions-Segment wird der Cashflow auch aufgeschoben und ähnelt damit mehr dem Cashflow-Profil einer Private Equity-Finanzierung. Das hat auch Folgen für die potenziellen Kunden: Speziell für EbAV, die noch wachsen, sind solche Themen interessant.
Eine Wildcard in der Asset Allocation
Trotz guter Marktaussichten bleibt opportunistisches Private Debt eine Nische. Mehr als 10% der Private Debt-Allokation steckt kaum ein Investor in solche Strategien, beobachtet Invesco-Experte Mittler. Trotzdem sieht er gerade in einem Jahr, in dem das Geld der Anleger für illiquide Engagements nicht so locker sitzt, eine ganz besondere „Opportunität“, um sprachlich im Bild zu bleiben:
„Wenn ich vielleicht ein, zwei neue Tickets für dieses Jahr habe, dann überlege ich genau, was ich damit mache“, sagt Mittler. „Nochmal einen weiteren klassischen Senior Direct Lender? Oder allokiere ich dieses Ticket in höhere Return-Strategien?“ Man ahnt, wie er sich entscheiden würde.