Detlef Pohl spricht im zweiten Teil des Interviews mit Frank Oliver Paschen, dem Vorstand der Pensionskasse der Hamburger Hochbahn VVaG, über die Kapitalanlage der Kasse: über wenig Fixed Income im Direktbestand, mehr Aktien und viel Gold. Und wie man in diesen Zeiten mit einem großen Immobilienbestand umzugehen hat …
Frank Oliver Paschen, Sie hatten das Stichwort Signa Prima genannt. Reden wir mehr über Ihre SAA. Die zeigt gewisse Abweichungen von dem, was einem herkömmlich so begegnet. Wie fiel das Kapitalanlageergebnis 2023 aus. und welche Rolle spielen dabei Spezial-AIF?
Lassen Sie mich das anhand der hier abgebildeten Grafik erläutern, die unseren Gesamtkapitalanlagenbestand zeigt. Man sieht sehr deutlich den überproportional großen Immobilienbestand, der aber auch eine Historie hat. Wir bewirtschaften unsere 14 direkt in und um Hamburg gelegenen Immobilien – ein Mix aus Wohnen, Büro, Gewerbe – schon seit langer Zeit mittels einer eigenen Immobilienabteilung. Mit Genehmigung der BaFin dürfen wir über die 25%-Quote nach AnlVO hinausgehen und stehen da nach Marktwerten bei 35%.Quelle: PKH. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Die direkt gehaltenen Immobilien sind so etwas wie das Brot-und-Butter-Geschäft mit einer relativ verlässlich vorhersagbaren Ertragssituation.
„Der gesamte Anlegerkreis hat sich auf eine geordnete Abwicklung mit zeitlichem Vorlauf verständigt.“
Wir haben einen guten Mix in unseren Immobilien, nahezu keinen Leerstand und nach den turnusmäßigen Abschreibungen ein regelmäßiges Renditeziel von 4,0 bis 5,0%.
Dazu ist der Bereich ergänzt um drei Immobilienfonds – Wohnen/Nahversorger/Logistik –, von denen sich der Logistikfonds in der Abwicklung befindet. Hintergrund: Er beinhaltet ein zu kleines Portfolio mit eher schwacher Performance – bedingt durch Kauf des größten Objektes mitten in den Zinsanstieg hinein. Der Leverage-Effekt war weg. Nachdem einige Investoren Anteile zurückgeben wollten und man zur Liquiditätsbeschaffung ein oder zwei Objekte zur Unzeit hätte verkaufen müssen, hat sich der gesamte Anlegerkreis auf eine geordnete Abwicklung mit zeitlichem Vorlauf verständigt.
Sie haben überraschend wenig Festverzinsliche …
Sehr schmal gehalten ist bei uns in der Tat der Direktbestand an festverzinslichen Titeln. Bis auf sechs Schuldscheine ist der Tresor leer. Natürlich sind wir auch darüber hinaus im Fixed Income-Bereich unterwegs, bespielen diesen aber in unserem Spezial-AIF, der in etwa 300 Mio. Euro Marktwert hat und damit von großer Bedeutung ist.
… und dafür viele Aktien?
Wir haben fünf Spezialmandate vergeben und halten in einem Basissegment darüber hinaus Publikumsfonds und insb. Rohstoff- und Minenaktienfonds. Der Mix aus all diesen Segmenten führt zu einer im Pensionskassenmarkt verhältnismäßig hohen Aktienquote von über 20% und in Ergänzung der Edelmetallpositionen im Fonds angesichts des physischen Golds, das wir im freien Vermögen halten, über eine signifikante Edelmetallquote von über 10%.
Wie sehen Sie die Kasse damit strategische ingesamt aufgestellt?
Die Fixed Income-Quote liegt insgesamt bei ca. 30%. In Summe fahren wir mit dieser sachwertorientierten Kapitalanlage sehr gut und haben unsere SAA auch in Zeiten des Zinsanstieges nicht wie viele andere deutlich Richtung Festverzinsliche verschoben. Diversifikation und das Potential, Reserven und höhere Renditen generieren zu können, halten wir unterlegt durch ein jährliches ALM für am erfolgsversprechendsten.
Das geht nur mit einem guten Risikomanagement und mit ausreichend Risikokapital. Beides ist bei der Pensionskasse gegeben. In Summe haben alle Segmente zum Kapitalanlagenergebnis 2023 beigetragen, und nur die erwähnte Abschreibung auf die Signa-Anleihe hat verhindert, eine Nettoverzinsung von ca. 3,5% bis 3,8% auszuweisen. Nochmals: Die Kennzahl ist eine gesteuerte Größe, man könnte auch eine 4 oder 5 vor dem Komma zeigen, würde damit aber über Gebühr die Substanz des Spezial-AIF belasten.
Zu dem Gold: Das Edelmetall hatten Sie von Ihrem Vorgänger geerbt, oder? Wie bewerten Sie die Asset-Klasse in diesen bemerkenswerten Zeiten, und wie wollen Sie künftig damit umgehen?
Das stimmt. Auf Veranstaltungen wurde ich oft mit „Was macht Euer Gold, Gold und Gold?“ begrüßt …
Ja, der Chefredakteur hat sich auch schon wieder interessiert gezeigt, nicht zum ersten Mal.
… und wir waren da sicher vor meinem Antritt 2018 zu einseitig aufgestellt, hatten zu wenig verlässliche und weniger volatile Kapitalanlagen im Portfolio. Ich habe das im Zuge des seit 2019 kontinuierlich steigenden Goldpreises sukzessive korrigiert, Positionen abgebaut oder auch in Industriemetalle, die zur Energiewende unerlässlich sind, umgesteuert.
Die Pensionskasse der Hamburger Hochbahn Aktiengesellschaft -VVaG- (PKH) entstand 1922 durch den Zusammenschluss der Pensionskasse für die Angestellten der Straßen-Eisenbahn-Gesellschaft in Hamburg (gegr. 1894) und der Fürsorgekasse der Hamburger Hochbahn AG (gegr. 1912). Die regulierte PKH erbringt die bAV für gut 12.000 Menschen.
Jetzt haben wir eine Quote erreicht, die gemessen an anderen Kassen zwar immer noch verhältnismäßig hoch ist, mit der wir uns aber sehr wohl fühlen. Die jetzigen Assets tragen zur Diversifikation bei, verhalten sich oftmals antizyklisch, machen renditemäßig viel Freude und bescheren uns im physischen Goldbestand erhebliche stille Reserven.
Vom Glänzenden zurück zum derzeit weniger Glänzenden, also zu den schon kurz angesprochenen Immobilien. Sie sprachen recht offen über die Signa-Sache. Hört man sich auf dem Parkett um, erfährt man hinter vorgehaltener Hand viel von Problemen mit Immobilien – immer bei den anderen natürlich. Wie bewerten Sie Real Estate vor dem Hintergrund von Zinsentwicklung und wirtschaftlicher Lage grundsätzlich, namentlich Gewerbeimmobilien? Werden wir hier auf dem Parkett noch unschöne Überraschungen erleben?
Ich wünsche der Branche, dass das Schlimmste ausgestanden ist. Auch ich weiß aber von einigen Häusern, denen gerade die Gewerbeimmobilien-Investments die Bilanzen verhagelt haben. Und auch wenn bei Baukosten und Finanzierungen leichte Verbesserungen in Sicht sind, ist das Ende der Fahnenstange bei Insolvenzen im Bereich Real Estate sicherlich noch nicht erreicht, was Pensionskassen mit ohnehin nicht üppiger Kapitalausstattung Schwierigkeiten bereiten kann.
„2024 dürfte für viele vermutlich nochmals zur Herausforderung werden.“
Großes Problem sind zudem die massenhaften Mittelabzüge aus Immobilienfonds, die ohnehin mit Bewertungsproblemen zu kämpfen haben und wegen der Anteilscheinrückgaben nun auch noch vermehrt Verkäufe zur Unzeit tätigen müssen, um Liquidität zu beschaffen. 2024 dürfte für viele vermutlich nochmals zur Herausforderung werden, 2025 durch kommende Leitzinssenkungen – wie sie sich ja nun etwas nachhaltiger herauszukristallisieren scheinen – aber hoffentlich wieder etwas Entspannung bringen.
Sie erwarten für Ihre Kasse 2024 also keine weiteren Abschreibungen auf Beteiligungen und Fonds an Gewerbeimmobilien?
Wir sind bis auf das Signa-Thema, wo wir je nach weiterer Entwicklung des Treuhandverfahrens unter Umständen nochmals eine Abschreibung ins Auge fassen, ohne Probleme unterwegs. Zwei der drei gezeichneten Immobilienfonds laufen gut, der dritte ist in einer mehrjährigen geordneten Abwicklung ohne Verkaufsdruck. Ansonsten haben wir nur noch unsere eigenen Gewerbeimmobilien bereits vor sechs Jahren in eine Immobilien-Beteiligung der Pensionskasse übertragen, um stille Reserven heben zu können. Auch da droht kein Ungemach, die turnusmäßigen frischen Verkehrswertgutachten haben nicht zu Abwertungen geführt, sondern zum Teil zu weiteren Wertsteigerungen.
Ganz grundsätzlich: Das aktuelle Abschmelzen der Bewertungsreserven erschwert es, erforderliche Abschreibungen z.B. im Gewerbeimmobilienbereich zu kompensieren. Nimmt die Risikotragfähigkeit der Pensionskassen im Allgemeinen und der PK der Hamburger Hochbahn im Besonderen ab?
Wie gesagt, uns drohen kaum weitere Abschreibungen. Zudem sind wir mit einer Solvaquote von über 200% und einer beruhigenden Ausstattung an Risikokapital gut gewappnet. Wir sind relativ unbeschadet durch die letzten Jahre gekommen. Auch wir hatten 2022 – wie alle – Bewertungsverluste hinnehmen müssen, aber trotzdem nach der angespannten Situation 2018 schnell den Turnaround geschafft und Polster gebildet, fahren mit der SAA erfolgreich durch die zunehmend schneller aufeinanderfolgenden geopolitischen Krisen und sind dementsprechend auch seit einiger Zeit aus der intensivierten Beobachtung der BaFin entlassen. Ich glaube, dass die Branche sehr heterogen aufgestellt ist, sowohl bei den Wegen in der Kapitalanlage, aber auch bei der Risikotragfähigkeit.
Auch die Pensionskassen waren gezwungen, sich über eine Dekade im Minizinsumfeld zu behaupten. Dann der plötzliche und rasante Zinsanstieg. Andererseits setzte die Anlageverordnung harte Grenzen für risikoreicheres Investment. Wie lässt sich dieses Spannungsfeld auflösen?
Die Folgen des rasanten Zinsanstieges, insb. 2022, haben alle schmerzhaft miterlebt. Andererseits hat sich die Branche das Ende des Niedrigzins- und teilweise Negativzins-Jahrzehnts sehnlichst gewünscht – wenn auch nicht so abrupt.
Seit August 2018 verantwortet FRANK OLIVER PASCHEN als Mitglied des Vorstandes der Pensionskasse der Hamburger Hochbahn Aktiengesellschaft -VVaG- u.a. die Kapitalanlage, das Reporting/Controlling sowie die Bereiche Personal, Recht, Nachhaltigkeit und Öffentlichkeitsarbeit. Von 2010 bis 2018 hatte Paschen als Vorstandsvorsitzender die älteste überbetriebliche Pensionskasse Deutschlands, die Dresdener Pensionskasse VVaG, mit ihren über 400 Mitgliedsunternehmen, geleitet. Zuvor war er neun Jahre lang Vorstand der genossenschaftlichen Pensionskasse Raiffeisen-Schulze-Delitzsch.
Als Betriebsrentenexperte ist Paschen regelmäßig als Referent, im Rahmen von Podiumsdiskussionen und mit Veröffentlichungen aktiv und u.a. im Rahmen der Einführung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes 2017 als Sachverständiger im Bundestags-Ausschuss für Arbeit und Soziales in Erscheinung getreten.
Wie man durch die Zeit zuvor und auch jetzt kommt, hat wiederum viel mit dem Anlagestil, der SAA, aber auch der Risikokapitalausstattung zu tun. Wir waren in der glücklichen Situation, auch in Phasen wie im Frühjahr 2020 oder auch während des Zinsanstieges 2022 trotz der Realisierung von Kursverlusten immer genügend Reserven zu haben, um unsere SAA weiter umsetzen zu können. So wie wir während der Niedrigzinsphase nicht in langlaufende Zinstitel gegangen sind und Fälligkeiten im Schuldscheindirektbestand nicht wieder dort, sondern im Spezial-AIF angelegt haben, haben wir nun anders als viele Kollegen jetzt nicht signifikant Sachwerte abgebaut und Fixed Income aufgebaut. Diese für eine Pensionskasse eher offensive Ausrichtung lässt sich auch mit den Bordmitteln der aktuellen AnlVO problemlos gestalten.
Apropos AnlageVO: Der RefE zum BRSG 2.0 sieht Erleichterungen für Pensionskassen vor, insb. sollen die Bedeckungsvorschriften so flexibilisiert werden, dass sie temporäre Unterdeckungen zulassen. Außerdem ist eine Anhebung der Risikokapitalquote im Gespräch. Wie würde Ihnen das im Alltag weiterhelfen?
Wie eben erläutert, sind wir auch mit der bestehenden AnlVO gut gefahren, aber ich mache keinen Hehl daraus, dass die Risikoquote teilweise zu knapp war, so dass ich mich über die geplante Anhebung auf 40% freue. Die Zulassung temporärer Unterdeckungen ist grundsätzlich ein gutes Zeichen, gesteht damit der Gesetzgeber doch erstmals zu, dass es angesichts des langfristigen Garantiegeschäfts nicht permanent einer vollen Bedeckung bedarf.
„Wir sind zum Glück nicht auf das Instrument angewiesen.“
Das Instrument, wie es nun kommen soll, halte ich allerdings für viele Pensionskassen nicht umsetzbar. So wie schon zuvor bei eventuellen Gründungsstockdarlehen wird es für alle schwer, die nicht nur einen Träger haben.
Da müssten sich dann mehrere Unternehmen committen und ggf. Geld einschießen, falls die nur noch 90%ige Bedeckung nicht wieder aufgeholt werden kann. Das Ganze löst zudem Satzungsänderungen, neuerliche Reporting-Pflichten etc. aus und kann meines Erachtens daher nur für wenige Kassen ein denkbares Mittel sein, sich einen größeren Risikokapitalpuffer zu schaffen, der ja auch im BaFin-Stresstest anrechenbar ist. Wir sind zum Glück nicht auf das Instrument angewiesen.
Für Sie als regulierter Investor: Welche Rolle spielen Private Markets / Alternatives für Sie als Langfrist-Investor in Ihrer Asset Allocation – angesichts von Renditen bei Fixed Income von drei, vier oder fünf Prozent? Und welche sollen sie spielen?
Wir sind nicht im Sinne eines CDI, also eines Cashflow-orientierten Anlegers nur oder vorwiegend in Fixed Income investiert, sondern haben auch eine signifikante Quote in Alternatives durch unsere Rohstoffe und Immobilien. Ich mag auch PE und Infrastructure, wir sind aber durch unsere aktuelle Aufstellung und mangels vieler Fälligkeiten und Neuanlagen dort nicht investiert. Beide Bereiche machen für mich nur Sinn, wenn man langfristig ein sich sukzessiv aufbauendes Portfolio entwickeln kann. Ich finde aber gut, dass im Rahmen des BRSG II endlich eine eigene Infrastrukturquote geschaffen wird.
Zum Schluss nochmal ganz allgemein zur SAA: Wie sieht Ihre Zielallokation aus?
Meine Zielallokation ist die aktuelle, frisch bestätigt durch unsere jährliche ALM-Studie. Wie gesagt, wir planen keinen signifikanten Aufbau in Fixed Income und steuern unter Beobachtung der Märkte nur leicht nach.
Ich favorisiere eine diversifizierte Anlage, in der Sachwerte, Aktien, Rohstoffe, Immobilien und natürlich zumindest auch ein Drittel Fixed Income, miteinander ein gutes Renditepotential bei überschaubarem Risiko bieten. Momentan würde ich – anders als vor ein paar Jahren – keinen Immobilienfonds mehr zeichnen. Und grundsätzlich bin ich kein Freund von Private Debt und noch viel weniger von Private Debt im Bereich Real Estate.