Wenn man einer der größten Pensionsinvestoren des Landes ist, Garantien zu bedienen hat und der eigene diesbezügliche Rechnungszins sich passabel mit Liquid Fixed Income covern lässt, reisst man dann nach zehn Jahren Niedrig- und Nullzins das Steuer des Tankers auf der Stelle herum? Nein. Aber umsteuern, das macht man schon. Für die Alternatives hat das ganz bestimmte Folgen.
Frank Egermann, wo liegt ihr interner Rechnungszins derzeit im Schnitt, und kriegen Sie den problemlos über Fixed Income angemessen gecovert?
Egermann: Der durchschnittliche Rechnungszins im Bestand liegt nahe 3%. Das kann man derzeit in der Tat über Fixed Income Investments erwirtschaften, ohne Kompromisse hinsichtlich Liquidität oder Bonität.
Vor knapp einem Jahr sagten Sie mir, dass Sie eine Re-Allokation von Ihrem Mandats- in Ihr Zinsportfolio angestoßen haben, um das Zinsumfeld zu nutzen. Von historisch ca. 70% hatten Sie im Niedrigzins das Zinsportfolio auf ca. 40% runtergefahren und kündigten seinerzeit die Kehrtwende an. Wie ist das Verhältnis der Portfolios heute zueinander, und wo wollen Sie hin?
FRANK EGERMANN stieß bereits vor zwei Dekaden, also 2004, zum BVV. Nach der Integration der Immobilienaktivitäten verantwortete er ab Mitte 2005 als Abteilungsleiter Portfolio Management die gesamte Kapitalanlage des BVV unterhalb des Vorstandes. Im April 2021 wurde der an der Universität zu Köln am Rhein studierte Diplom-Kaufmann – der also die Namen Hax, Donges und Büschgen noch bestens kennt – als Nachfolger Rainer Jakubowskis zum für Kapitalanlage verantwortlicher BVV-Vorstand berufen.
Der BVV, eigentlich BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes a.G., gegründet 1909 mit Sitz in Berlin, versteht sich als Full-Service-Anbieter der bAV für die Finanzwirtschaft in Deutschland und besteht heute aus drei rechtlich selbstständigen Versorgungsträgern, die seinen Mitgliedsunternehmen drei der fünf gesetzlichen bAV-Durchführungswege ermöglichen:
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BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes a.G. (Pensionskasse)
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BVV Versorgungskasse des Bankgewerbes e.V. (rückgedeckte Unterstützungskasse)
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BVV Pensionsfonds des Bankgewerbes AG (Pensionsfonds).
Gemessen am verwalteten Vermögen ist der BVV mit ca. 35 Mrd. Euro Deutschlands größte Pensionskasse und stellt seine Leistungen allen deutschen Banken und Finanzdienstleistungsinstituten sowie ihnen verbundenen Dienstleistern zur Verfügung. Mit rund 300 Beschäftigten betreuen die Berliner derzeit 761 Mitgliedsunternehmen sowie rund 358.000 Versicherte und 133.000 Rentner.
Egermann: Teils hatten wir das Zinsportfolio bewusst runtergefahren, um das Portfolio breiter aufzustellen. Teils war der Anteil des Zinsportfolios aber auch ungewollt zurückgegangen aufgrund der geringen adäquaten Anlageoptionen im Niedrigzinsumfeld. Hier wollen wir ansetzen und zielen auf einen Anteil von bis zu 60% binnen drei Jahren ab – anhaltend attraktive Renditen vorausgesetzt.
Wenn Sie also in Fixed Income investieren, dann müssen Sie als der nicht kleinste Investor auf dem Parkett vermutlich ein breites Universum erfassen. Welche Schwerpunkte setzen Sie bei Emittenten, Rating und regional?
Egermann: Die Beschränkung auf in Euro denominierte Zinstitel ist – abgesehen von regulatorischen Vorgaben – die einzige harte Restriktion für das Zinsportfolio. Wir nutzen die ganze Klaviatur von Emittenten, Regionen, Sektoren, Ratings (solange im Investment-Grade-Bereich) sowie Formaten wie Inhaber- oder Namenspapiere sowie strukturierte und nichtstrukturierte Titel. Dafür haben wir die notwendigen Bewertungstools, Reportingprozesse und Limitsysteme an Bord. Das erlaubt uns, das geänderte Zinsumfeld flexibel zu nutzen.
„Im aktuellen Umfeld muss man Event-Risiken aus geopolitischen Spannungen, die ggf. schlagartig die Bonitätssituation verändern können, stärker einbeziehen.“
Die Lage der Wirtschaft, namentlich in Deutschland, ist nicht einfach. Große Katastrophen sind gleichwohl bis dato ausgeblieben, die Perspektive kann aber pessimistisch stimmen. Haben Sie Grund, mehr auf die Bonität zu achten als bisher? Ist das Thema Bonität über das übliche Risikomanagement hinaus akuter geworden als üblich?
Egermann: Wir adressieren ohnehin Bonitätsrisiken mit einem dezidierten Kreditprozess samt ergänzender Exposure-Limite. Das ist insofern nicht neu. Neu ist, dass im aktuellen Umfeld Event-Risiken z.B. aus geopolitischen Spannungen, die ggf. schlagartig die Bonitätssituation verändern können, stärker als früher in die Analyse einbeziehen muss.
„Unser Reallokationsziel ist ambitioniert und der Zinsausblick unsicher.“
Soviel zu Fixed Income im Einzelnen. Aber grundsätzlich: Wenn Sie freien Cash haben, bspw. durch Beiträge oder zur Wiederanlage, und Sie brauchen diesen Cash nicht für irgendwelche Committments: Wie hoch ist derzeit der Anteil davon, den Sie in diese Fixed Income-Papiere investieren?
Egermann: Die commitment-basierten Investmentprogramme in Private Markets werden fortgeführt und binden damit planmäßig Liquidität. Abgesehen davon allokieren wir derzeit aber nahezu 100% in das Zinsportfolio: unser Reallokationsziel ist ambitioniert und der Zinsausblick unsicher, insofern nutzen wir Marktumfeld konsequent.
Zählt dazu auch Private Debt? Oder meinen Sie damit nur liquide?
Egermann: Das Zinsportfolio umfasst nur liquide Anlagen. Private Debt ist ein Baustein unseres Mandatsportfolios, wird folglich nicht von uns selbst investiert. Es ist dort ein Teil der commitmentbasierten Programme.
„Die Zinsentwicklung führt aufgrund der Re-Allokation in das Zinsportfolio nur zu selektiverer Commitmentvergabe und stärkerer Fokussierung auf langjährige Partner, nicht zu einem harten Stopp.“
Damit sind wir bei den Private Markets. Sie sind ja auch hier breit investiert. Wo liegen hier Ihre Schwerpunkte? Und hat sich sich hier durch die Zinsentwicklung etwas geändert bzw. wie sieht heute grob Ihre aktuelle Private Markets-Strategie aus?
Egermann: Wir sind in Private Markets entlang der Linien Infrastruktur, Immobilien und Unternehmen auf der Eigenkapital- wie auch auf der Fremdkapitalseite unterwegs. Eigenkapitalinvestments machen derzeit rd. 25%, Fremdkapitalprogramme 15% aus. Die Zinsentwicklung führt aufgrund der schon besprochenen Re-Allokation in das Zinsportfolio nur zu einer selektiveren Commitmentvergabe und einer stärkeren Fokussierung auf die langjährigen Partner, nicht zu einem harten Stopp.
Sehen Sie zwischenzeitlich, dass auch Bewertungen in den Private Markets zurückgekommen sind, und wenn ja, wo? Und hat umgekehrt auch der Denominator-Effekt sich abschwächt?
Egermann: Mit niedrigeren Bewertungen in Private Markets nach einem signifikanten Zinsanstieg ist immer zu rechnen. Der Zins ist bei den vielfach angewandten Diskontierungsmodellen ein Faktor auf beiden Seiten: Er verändert bei Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle die Ertragserwartung, und er ist zudem Abzinsungsfaktor. Insofern waren gegenüber den liquiden Anlagen zeitversetzte Abwertungen in 2023 keine Überraschung und haben bei Marktwertsicht in der Tat den Denominatoreffekt aus 2022 z.T. korrigiert.
Sind Sie angesichts der Zinserhöhungen nun mit Blick auf die Private Markets nervös? Oder viel mehr auf dem Sprung, Opportunität zu schnappen? Oder interessieren Sie kurz- bis mittelfristige Entwicklungen gar nicht?
„Infrastruktur ist ohne Frage die resilienteste Asset-Klasse.“
Egermann: In den Private Markets Market Timing betreiben zu wollen, ist aus unserer Sicht ein falscher Ansatz. Insofern steuern wir die Investmentprogramme mit längerfristiger Perspektive und von Jahr zu Jahr nur leichten Kurskorrekturen.
Welche Asset-Klasse der Private Markets hat sich bei den Neubewertungen am besten geschlagen? Welche finden Sie im gegenwärtigen Umfeld am attraktivsten? Gibt es Mega-Trends, die Sie bezüglich Private Markets im Auge haben?
Egermann: Infrastruktur ist ohne Frage die resilienteste Asset-Klasse, sowohl mit Blick auf ökonomische wie auch geopolitische Faktoren. Megatrends sind für uns kein entscheidendes Anlagekriterium, aber, wenn man möchte: Themen wie Klimawandel, Energiesicherheit oder auch Digitalisierung findet man im Infrastruktursegment ebenso abgebildet wie im Unternehmensbereich.
Investieren Sie in Secondaries, und sehen Sie hier gerade die Lage günstig? Machen Sie auch Continuations und Co-Investments?
Egermann: Über die Nutzung der üblichen Investmentalternativen Primaries, Secondaries und Co-Investments entscheiden unsere Partner. Der BVV setzt hier allenfalls den Rahmen. Secondaries und Co-Investments sind übliche Bausteine der Investmentprogramme, Continuations eher nicht.
Man hört, dass deutsche Investoren infolge der Rahmenbedingungen bevorzugt in ausländische Infrastruktur investieren statt in deutsche. Wie sehen Sie das?
Egermann: Für die Frage sind wir der falsche Ansprechpartner: Der BVV investiert in Infrastruktur wie auch in allen anderen Asset-Klassen global. Dies folgt der Logik der Diversifikation von Risikofaktoren. Das können ökonomische Zyklen, geopolitische Entwicklungen aber auch rechtliche Faktoren sein. Investments erfolgen dort, wo sich attraktive Fenster öffnen, und eine vorab fixierte Allokation nach Regionen oder Ländern haben wir nicht.
Viele Investoren sehen derzeit aufgrund attraktiver Bewertungen einen guten Einstiegszeitpunkt. Glauben Sie, dass 2024 ein gutes Vintage Year wird?
Egermann: Investmentmärkte sind zyklisch, insofern: ja, 2024 sollte kein schlechtes Vintage Year werden, sicher erheblich besser als z.B. 2021 mit seinen hohen Bewertungen.
„Für Dauerpessimismus besteht kein Anlass.“
Wie schätzen Sie Lage und Perspektive Gewerbeimmobilien ein? Man hört ja teils schlechte Nachrichten, besonders aus den USA.
Egermann: Gewerbeimmobilien muss man differenziert betrachten: Handel und Büro haben schon seit längerem strukturellen Gegenwind, anders als Logistik. Ebenso differieren die Regionen, z.B. schlägt Asien sich erheblich besser als Amerika. Aber auch Immobilienmärkte sind zyklisch, bei aller Skepsis auf kurze Sicht besteht für Dauerpessimismus kein Anlass.
Auch die – heute schon zwei Mal kurz angesprochene – Geolage auf diesem Planeten scheint sich täglich zu verschlechtern. Nun, auch als Großinvestor kann man diese nicht beeinflussen. Aber ändert dies Ihren Blick, zum Beispiel auf die Emerging Markets?
Egermann: Wir haben in der Tat die Allokation in Emerging Markets reduziert. Allein wenn man an die BRIC-Euphorie zurückdenkt und die Länder Brasilien, Russland, Indien und China heute bewertet, kann man kaum von einem vergleichbar attraktiven Investmentumfeld sprechen.
Zu den konkreten Ergebnissen des BVV 2023 können Sie wegen erst Ende Juni stattfindenden Mitgliederversammlung, auf der über den Jahresabschluss befunden wird, noch nichts sagen. Aber ganz allgemein: Wie ist es bisher in diesem ersten Halbjahr 2024 für den BVV an den Märkten gelaufen, und welchen kurzfristigen Ausblick haben Sie Stand heute?
Egermann: Die bisherige Marktentwicklung unterstützt die angesprochene Re-Allokation in das Zinsportfolio. Insofern sind wir bis hierhin zufrieden. Allerdings sind die Trends nicht so stabil und die verschiedenen Risiken nach wie vor präsent, so dass sich ein Ausblick auf das Gesamtjahr derzeit noch verbietet.
Teil I des Interviews – mit BVV-Vorstand Marco Herrmann – findet sich auf der A●I–Schwester-Plattform PENSIONS●INDUSTRIES hier.