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Alternative Impact Investments:

Von Win-win zu Lose-lose, oder …

fährt der Zug (wieder) an, wenn auch langsam? Märkte, Zinsen, Politik und Regulatorik folgen ihren eigenen Gesetzen, und in der Folge ist das einstige Über-Thema ESG ins Stottern geraten. Exakt dies hat es mit den Private Markets gemein. Wie geht es hier weiter? Daniel Wolbert analysiert Lage und Perspektive.

Noch vor wenigen Jahren galt die Kombination aus illiquiden alternativen Assets und Nachhaltigkeitsthemen aus Sicht vieler Investoren als ideale Kombination.

Im Niedrigzinsumfeld ließen sich bei entsprechender Diversifikation in Infrastruktur, Private Equity und Private Debt mehr als auskömmliche Renditen erwirtschaften. Zugegebenermaßen waren diese je nach Risikoneigung der Investoren mit erhöhten Bewertungs-, Ausfall- und/oder Liquiditätsrisiken sowie vergleichsweise hohen regulatorischen Hürden verbunden, was insbesondere eher konservativ ausgerichtete institutionelle Anleger trotz attraktiver Renditen häufig von Private Markets-Investments abhielt.

EK schonen mit Alternatives

Um Versicherern in diesem Umfeld den Zugang zu Infrastruktur-Assets zu erleichtern, schuf die EIPOA die Möglichkeit der Einstufung als sog. qualifizierte Infrastruktur-Investments im Sinne von Artikel 164a der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35, wodurch die Anforderungen an die Eigenkapitalunterlegung nach Solvency II im Falle moderater Risikoprofile in Bezug auf Duration und Bonität deutlich verringert werden konnten. Investoren müssen unter Einbeziehung von Asset-Liability-Analysen prüfen, ob eine ausreichende Eignung für die jeweilige Investition besteht. Berechnungen zeigten, dass Versicherer ihr SCR bei der Nutzung von „qualifizierter Infrastruktur“ um bis zu 18 Prozentpunkte bei Infrastruktur Equity und um bis zu 16 Prozentpunkte bei Infrastruktur Debt reduzieren können, was den Spielraum für diese Investments erhöht.

Auch für Pensionskassen unter dem alten Solvency-I-Regime wurden Erleichterungen geschaffen, die infolge der Einführung der Möglichkeit zur Einordnung als alternativer Investmentfonds nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 AnlV sowie der Einführung einer Quote von maximal 7,5 % in alternativen Anlagen nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 AnlV explizit Anlagen in Private Debt-Fonds, die bis dato nicht investierbar waren, oder auch Hedgefonds unter Berücksichtigung von BaFin-Rundschreiben 7/2004 (VA) im Rahmen der Anlageverordnung explizit ermöglichen.

Das nordrhein-westfälische Finanzministerium hat überdies für die Versorgungswerke im Frühjahr 2021 durch die Einführung einer eigenständigen Infrastrukturquote von maximal 5% mehr Flexibilität in der Kapitalanlage geschaffen.

Alternatives schafft Bewusstsein

Parallel dazu drängte das Thema Nachhaltigkeit zunehmend in das Bewusstsein der Investoren. Insbesondere in Bezug auf ökologische, zunehmend aber auch soziale Themen, bestand immenser Nachholbedarf im Bereich der institutionellen Kapitalanlage.

Diese Erkenntnis hat letztlich auch die Politik zum Handeln bewegt. Ausgehend vom European Green Deal der EU-Kommission hat die BaFin mit dem Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken für Versicherer und Pensionskassen sowie der EBAV-II-Richtlinie mit der verpflichtenden ERB unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten den Investoren Impulse gegeben, sich intensiver mit nachhaltigen Kapitalanlagen zu beschäftigen.

Wider die Strandung

Außerdem versprachen gezielt ausgewählte ESG-Investments bspw. infolge der Vermeidung von Stranded Assets ein reduziertes Risiko-Exposure bei mindestens gleicher Rendite wie ihre nicht-nachhaltigen Pendants. Als Steigerungsform einfacher ESG-Investments, die selten über Ausschlusskriterien hinaus gehen, etablierten sich zunehmend Impact Investments im Bereich der Alternativen Assets, die nicht nur vermeiden oder mindern, sondern gezielt ESG-Themen fördern und so positive Nachhaltigkeitswirkungen erzielen wollen. Mitunter wird auch von der Nachhaltigkeitsrendite gesprochen.

Häufig handelt es sich um weitgehend illiquide Anlagen im Bereich der Energie-Infrastruktur (insb. in Bezug auf erneuerbare Energien, Energienetze und -speicher, Energieeffizienz) sowie Private Equity und Private Debt Investments mit spezifischem ESG-Fokus bspw. in den Bereichen Gesundheit, Biotech, Dekarbonisierung oder auch KI.

Stagnierendes Neuanlagevolumen

Nachdem das Neuanlagevolumen in alternative Investments im Allgemeinen und Impact Investments im Speziellen bis 2022 in Deutschland stetig angestiegen ist, war im vergangenen Jahr erstmals eine Stagnation zu verzeichnen, wie der FNG-Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen 2023 offenbart. Im Wesentlichen waren es drei Faktoren, die die Win-win-Situation der alternativen Impact Investments, die nach Ansicht von Investoren das Beste aus den beiden Welten alternative Investments und nachhaltige Investitionen verbunden haben, innerhalb kurzer Zeit in Frage gestellt haben:

 

Der Ausbruch des Kriegs in der Ukraine sowie der zugespitzte Nahostkonflikt haben auch Investoren an der Sinnhaftigkeit konsequent nachhaltiger Ausrichtung zweifeln lassen.“

 

1.: Die Bedeutung alternativer Investments in der Neuanlage hat mit dem Zinsanstieg der letzten beiden Jahre zunehmend abgenommen. Nachdem viele Investoren notgedrungen ihre Zielquoten in Infrastruktur, Private Equity und Private Debt weitgehend ausgereizt hatten, war die einzig logische Konsequenz ein Schwenk in der Allokation hin zu risikoarmen Fixed Income-Investments, mittels derer nun auch wieder die Garantie- und Zielverzinsungen der Lebensversicherer und Pensionskassen mit hoher Wahrscheinlichkeit erzielt werden konnten, ohne zusätzliche Risiken eingehen zu müssen.

2.: Ein wenig ambivalenter zeigt sich dagegen der Einfluss der Politik auf Impact Investments. Noch 2019 war mit dem EU-Aktionsplan grundsätzlich klar, in welche Richtung die Reise gehen sollte. Dies hat sich auch zunehmend in der politischen Meinungsbildung niedergeschlagen. Der Ausbruch des Kriegs in der Ukraine sowie der zugespitzte Nahostkonflikt haben viele Menschen und letztlich auch Investoren aber zunehmend an der Sinnhaftigkeit einer konsequent nachhaltigen Ausrichtung zweifeln lassen. Diese Entwicklung nahm teils absurde Züge an. So entstanden Diskussionen darüber, ob Rüstung im Verteidigungsfall nachhaltig ist, und auch Atomkraft galt vielen plötzlich wieder als nachhaltige alternative Energiequelle. So überrascht es nicht, dass Anlagen in Sektoren mit kontroversen Geschäftspraktiken im Energie- und Rüstungssektor, also dem genauen Gegenteil von ESG-Investments, nachhaltige Kapitalanlagen seit 2021 deutlich outperformt haben, wie eine aktuelle Analyse von Metzler zeigt. Spätestens seit den jüngsten Wahlen zum Europaparlament am 9. Juni dürfte klar sein, dass der enorme Druck, ausgehend von den „grünen Parteien“ in Europa und speziell in Deutschland deutlich nachgelassen hat bzw. weiter wird. So hat sich die Union bspw. bereits vorgenommen, das für 2035 vorgesehene Verbrenner-Verbot in Deutschland rückgängig zu machen.

3.: Last but not least ist der „ESG-Impact“, der von der Regulatorik ausgeht, inzwischen eher negativ. Aus scheinbar guten Absichten wurden insb. mit der EU-Taxonomie- sowie der -Offenlegungsverordnung oder auch der CSRD mit dem Ziel der Greenwashing-Vermeidung Hürden geschaffen, die nicht wenige institutionelle Investoren kaum überwinden können – und teils offenkundig auch nicht mehr wollen. Laut einer Accenture-Studie aus dem Jahr 2023 weisen deutsche Banken nur für 1,4 bis 24,6% ihrer Assets Taxonomiefähigkeit im Sinne der EU-Verordnung aus, wobei die Taxonomiefähigkeit noch nicht notwendigerweise der Taxonomiekonformität entspricht. Gemäß einer Auswertung von PwC beläuft sich die offengelegte Taxonomiekonformitätsquote deutscher Erstversicherer zwischen Null und 8,1%. Den im Vergleich deutlich kleineren Pensionskassen fällt eine entsprechende Offenlegung meist noch schwerer.

Mangelnde Datenverfügbarkeit und überbordende Dokumentationsanforderungen sind schlichtweg für kleinere und mittelgroße Unternehmen kaum noch darstellbar, so dass Investoren inzwischen auch aus diesem Grund häufig davor zurückschrecken, ihr Portfolio mittels Impact-Investments nachhaltig(er) aufzustellen, um so entsprechende Ausweispflichten zu vermeiden. Unterlegt werden solche Haltungen inzwischen verstärkt auch wieder mit den vermeintlichen Kosten der Nachhaltigkeit, die zulasten der wirtschaftlichen Rendite gingen. Möglicherweise handelt es sich aber in einigen Fällen auch um Schutzbehauptungen zur Bereinigung des Gewissens.

Status Quo vs. Ausblick

Ist also aus der Win-win- eine Lose-lose-Situation geworden? Im Moment mag weniger für Impact Investments sprechen als noch vor zwei, drei Jahren. Dass institutionelle Investoren ihrer Verantwortung nachkommen und ihre Mittel nachhaltig verträglich anlegen sollten, erscheint aller Zweifel zum Trotz konsensfähig (einen aktuellen Stand der Blick auf die Dinge der deutschen institutionellen Investoren hat jüngst die Union Investment vorgelegt).

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Extreme bringen auch hier wie so oft niemanden weiter.“

 

Die Konflikte in der Ukraine und in Nahost werden irgendwann enden. Die Haltung zur Nachhaltigkeit wird sich voraussichtlich ein Stück weit wieder auf ein vernünftiges Maß „normalisieren“. Extreme bringen auch hier wie so oft niemanden weiter – weder ist Rüstung nachhaltig, noch steht der Weltuntergang infolge einer Klimakatastrophe unmittelbar bevor. Die „Anti-ESG-Bewegung“ in den USA dürfte im Zuge des US-Präsidentschaftswahlkampfs eher politisch getrieben sein. Aus Anlegersicht spricht abseits politisch begründeter Polarisierung auch zukünftig viel für eine systematische Nutzung von ESG-Informationen im Investmentprozess. Laut erwähnter Metzler-Studie zählen Unternehmen, die ESG-Risiken und -Chancen besonders gut managen, seit Jahren zu den Gewinnern an den Aktienmärkten.

Zwar scheint eine große Zinswende trotz der jüngst erfolgten erstmaligen Zinssenkung der EZB seit Jahren angesichts noch anhaltenden Inflationsdrucks nicht unmittelbar auf der Agenda zu stehen; und die Zinsen werden vermutlich nicht mehr auf das extreme Niveau von vor einigen Jahren zurückfallen. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass mit zunehmender konjunktureller Unsicherheit und nachlassendem Lohn- und damit Inflationsdruck das Zinsniveau in Europa auf ein gesundes Niveau zurückkehrt. Staats- und Unternehmensanleihen mit geringem Risiko werden dann wohl nicht mehr hinreichend rentierlich sein.

Zudem haben nicht wenige Investoren ihre Zielallokation in festverzinsliche Anlagen in den letzten beiden Jahren bereits großteils ausgeschöpft. Desweiteren dürfte die BaFin die ESG-Regulatorik ein Stück weit vereinfachen, v.a.Hürden abbauen und das Proportionalitätsprinzip stärker mit einbeziehen.

Der Autor ist der Überzeugung, dass diese Entwicklung in den kommenden Monaten und Jahren sukzessive Einzug halten wird. Vor diesem Hintergrund macht es aus Sicht institutioneller Investoren Sinn, sich rechtzeitig mit Opportunitäten im Bereich der Impact Investments zu beschäftigen, um den langsam anfahrenden Zug nicht zu verpassen.

Der Autor ist Institutional Partner der Ready 4 Impact GmbH in Berlin.