… schwankt der Gesetzgeber bei der Besteuerung der Kapitalanlage: An ständig neue Steuerregeln zur „Missbrauchsbekämpfung“ – mit zunehmenden Kollateralschäden – haben sich auch Pensionsinvestoren gewöhnt. Dieses Jahr hat die Politik jedoch auch einige erfreuliche Initiativen ergriffen, um institutionelles Kapital zu mobilisieren, vor allem für Infrastrukturinvestments und Start-ups. Doch ist das nicht alles. Jan H. Grabbe gibt einen Überblick.
Die gegenwärtigen Entwicklungen drehen sich um die neue Infrastrukturquote in der AnlV, Steuerleckagen bei Hybrid Entities, die rechtssichere Investition von Fonds in Infrastruktur und PV-Anlagen, die Mobilisierung institutionellen Kapitals im Rahmen der WIN-Initiative – sowie um drohende Mehrsteuern vor allem für Luxemburger Fonds mit Anlagen in sog. „German Property-rich Companies“, bei denen noch Zeit bleibt, es aber auch Zeit ist, diese auf Restrukturierungsoptionen durchzusehen. Doch der Reihe nach:
Bereits erledigt: Fondsstandort Deutschland holt bei Umsatzsteuer auf
Positives für den Fondsstandort Deutschland hat das Zukunftsfinanzierungsgesetz Ende 2023 gebracht. Danach ist die Verwaltung sämtlicher alternativer Investmentfonds in Deutschland ab 2024 von der Umsatzsteuer befreit. Mit der Reform hat Deutschland bei der Umsatzsteuer gegenüber Luxemburg aufgeholt.
Positive Initiative: Vorschlag für Infrastrukturquote …
Am 24. Juni 2024 haben BMAS und BMF einen Referentenentwurf für ein zweites Betriebsrentenstärkungsgesetz vorgelegt. Darin wird – wie von der Branche seit längerem gefordert – eine neue fünfprozentige Infrastrukturquote vorgeschlagen. Hierbei soll es sich um eine neue Streuungsquote in der Anlageverordnung handeln. Sie soll für Eigen- und Fremdkapitalinstrumente sowie für direkte und indirekte Anlagen zur Verfügung stehen.
Einschränkungen ergeben sich möglicherweise daraus, dass nach dem Wortlaut bzw. der Begründung nur Investitionen zur „Finanzierung von Infrastrukturprojekten“ (in Abgrenzung zu Infrastrukturunternehmen?) umfasst sein sollen, ein „umfangreicher“ Vermögenswert vorausgesetzt wird, der „als im allgemeinen öffentlichen Interesse stehend anzusehen“ sein muss. In der Praxis hängt es erfahrungsgemäß häufig gerade von „Detailfragen“ zur Auslegung solcher möglicher Einschränkungen ab, ob sich die Quote nutzen lässt bzw. ob sich wirtschaftlich attraktive Fondsprodukte rechtssicher konzipieren lassen.
… mit Entlastung bei der Streuung
Mit der Zuordnung zur neuen Infrastrukturquote werden die sonst bzw. bisher einschlägigen Streuungsquoten entsprechend entlastet. Flankierend soll die Risikokapitalquote von 35 auf 40% steigen.
Der Katalog der zulässigen Kapitalanlagen (in § 2 Abs. 1 AnlV) soll dagegen nicht erweitert werden. Wie bisher auch müssen Infrastrukturinvestments somit unter eine der Kategorien erwerbbarer Vermögensgegenstände fallen (also z.B. als Private Equity-Fonds nach Nr. 13 Buchst. b oder als sonstiger alternativer Investmentfonds nach Nr. 17 oder in der Direktanlage als Beteiligung nach Nr. 13 Buchst. a oder als Fremdkapital-Engagement nach Nr. 4 Buchst. c, Nr. 7, 8 oder 9 der AnlV). Je nach der einschlägigen Kategorie müssen Projektbetreiber bzw. Projekt in einem bestimmten Staat ansässig bzw. belegen sein.
„Fonds aus dem Bestand in die neue fünfprozentige Infrastrukturquote umzugliedern, kann sich schwierig gestalten.“
Damit stehen AnlV-Investoren künftig vor ähnlichen Herausforderungen wie bisher schon Versicherer, wenn diese Anlagen über Fonds als qualifizierte Infrastrukturanlagen für Solvency II einordnen wollen:
Der Anleger muss die Vorgaben definieren, vor allem für kritische und Grenzfälle; Zugang zu den nötigen (und nicht immer aufbereiteten) Informationen über die einzelnen Anlagen hat jedoch nur der Fondsmanager. Bei neu aufgelegten Fonds lassen sich Lösungen bei der Konzeption bzw. beim Investoren-Sounding oder spätestens im Rahmen von Side Letter-Verhandlungen finden. Fonds aus dem Bestand in die neue fünfprozentige Infrastrukturquote umzugliedern, kann sich ohne Zugang zu weiteren Informationen dagegen schwieriger gestalten.
Alte Muster: Überbesteuerung bei Deutschland-Investments über FCPs?
Steuerineffizienzen drohen weiter für Anleger von Fonds, die grenzüberschreitend unterschiedlich steuerlich gewürdigt werden (sog. Hybrid Entity). Dies gilt u.a. für Luxemburger Fonds des Vertragstyps, sog. Fonds commun de Placement (FCP). Sofern sie zum Beispiel Darlehen an Beteiligungsgesellschaften mit Immobilien oder anderen Anlagen in Deutschland vergeben, lässt Deutschland diesen Finanzierungsaufwand nach den ab 2020 geltenden Steuerregeln (§ 4k EStG) grundsätzlich nicht zum Abzug zu, wenn der Sitzstaat der Fondsanleger (anders als Luxemburg) FCPs als intransparent behandelt. Denn in diesem Fall würden die korrespondierenden Zinseinnahmen weder in Luxemburg noch in Deutschland besteuert.
„Es ist keine gute Nachricht, dass die Finanzverwaltung das Abzugsverbot wohl auch auf Multi-Investorenfonds anwenden möchte.“
Diese Regelung erscheint auf den ersten Blick gerechtfertigt zu sein, führt bei näherer Betrachtung aber letztlich zur Überbesteuerung. Denn der FCP schüttet seine Zinseinnahmen (meist früher als später) aus, womit die zugrunde liegenden Erträge ein zweites Mal besteuert werden (oder, wenn der Anleger steuerbefreit ist, systemwidrig einmal besteuert werden) – ein Beispiel, wie „Missbrauchsvermeidungsregeln“ Kollateralschäden verursachen.
Offen war bisher, ob das Abzugsverbot auch dann gilt, wenn ein Fonds nicht nur einen beherrschenden Anleger, sondern viele Anleger hat. Denn bei Multi-Investorenfonds liegt der Verdacht fern, dass diese gemeinsam aktiv wurden, um dem Fiskus Einnahmen vorzuenthalten. Daher ist es keine gute Nachricht für Investoren, die über FCPs (auch) in Deutschland investieren, dass die Finanzverwaltung dem Vernehmen nach in dem erwarteten Anwendungsschreiben das Abzugsverbot auch auf Multi-Investorenfonds anwenden möchte.
Positive Initiative: Anlagen von Investmentfonds in PV-Anlagen und Infrastruktur
Am 21. Mai 2024 hat das BMF einen Diskussionsentwurf vorgelegt, der Investmentfonds-Anlagen in PV-Anlagen und Infrastruktur rechtssicher ermöglichen soll.
Insbesondere für die typischen deutschen Spezialfonds (nach § 284 KAGB bzw. Kapitel 3 InvStG) sind das Halten, vor allem aber Betreiben solcher Investments aufsichts- und steuerrechtlich kritisch. Die KVGen weichen teils aus, indem sie die Flächen und ggf. PV-Anlagen an Dritte vermieten bzw. verpachten, was die Komplexität weiter erhöht. Häufig bleiben die Möglichkeiten ungenutzt.
Hier setzt der Entwurf an. Insbesondere die indirekte Anlage über Infrastrukturgesellschaften wird als Lösung gesehen, damit Investmentfonds weiterhin nicht als „operativ tätig“ gelten (also Investmentfonds bleiben). Um Wettbewerbsvorteile gegenüber der Stromindustrie zu vermeiden, zielt der Entwurf darauf ab, operative Erträge auf der sog. Fondseingangsseite einmal „voll“ zu besteuern (mit ca. 30% Körperschaft- und Gewerbesteuer). Fragen zu mehrstufigen Strukturen und zur Fremdmittelaufnahme scheinen noch offen zu sein.
Alte Muster: Neue Steuerleckage für Investmentfonds bei Anlagen in „German Property-rich Companies“
Mit dem Jahressteuergesetz 2024 hat der Gesetzgeber eine vermeintliche Besteuerungslücke geschlossen. Betroffen sind Investmentfonds, die nicht als Personengesellschaft organisiert sind und über Objektkapitalgesellschaften in deutsche Immobilien investieren. Solche Strukturen dürften sich in der Praxis vor allem in Luxemburg finden (SICAV SA/ SCA oder FCPs), aber auch deutsche Sondervermögen sind betroffen, falls sie entsprechend investieren.
Veräußert ein solcher Investmentfonds eine solche „German Property-rich Company“ (Share Deal), war dies bislang steuerfrei. Dies ist auch folgerichtig, da die stillen Reserven auf Objektgesellschafts-Ebene steuerverhaftet bleiben bzw. letztlich beim Objektverkauf (Asset Deal) der Körperschaft- und ggf. Gewerbesteuer unterliegen. In Form des Kaufpreisabschlags für latente Steuern – üblicherweise teilen sich Käufer und Verkäufer diese hälftig – hat der Investmentfonds dem Käufer diese Steuer „vorfinanziert“.
Mit der neu eingeführten Veräußerungsgewinnsteuer kommt es jetzt somit zu einer eineinhalb-fachen Belastung des Investmentfonds – Körperschaftsteuer auf den Gewinn und hälftiger Kaufpreisabschlag – und zusätzlich, je nach Status, zur Besteuerung auf Ebene der Fondsanleger.
Damit wird die Fondsanlage höher besteuert als die entsprechende Direktanlage. Auch werden Immobilienfonds in solchen Konstellationen höher besteuert als Aktienfonds, die Kapitalgesellschaftsanteile weiterhin steuerfrei veräußern können.
„Bis die Immobilienwerte wieder steigen, ist noch Zeit, Fonds auf Restrukturierungsoptionen durchzusehen.“
Für Luxemburger und andere ausländische Investmentfonds kann die Verschärfung aber noch weitere unerwartete und „versteckte“ Steuerfolgen auslösen, z.B. wenn eine Holdinggesellschaft aufgrund von Investitionen außerhalb Deutschlands den Status als „German Property-rich Company“ verliert und daher die sog. Entstrickungsbesteuerung greift.
Insgesamt sehen wir hier somit ein weiteres Beispiel, wie „Missbrauchsvermeidungsregeln“ Kollateralschäden verursachen. Aufgrund einer Bestandsschutzregel unterliegen nur Wertzuwächse nach Ende März 2024 der neuen Veräußerungsgewinnsteuer. Bis die Immobilienwerte wieder steigen, ist daher noch Zeit, Fonds auf Restrukturierungsoptionen durchzusehen.
Positive Initiative: WIN-Initiative der Bundesregierung
Mit der Initiative für Wagnis und Wachstumskapital für Deutschland – kurz WIN-Initiative – möchte die Bundesregierung mehr Wagniskapital für die deutschen Wachstumsindustrien mobilisieren. Vorbild sind die französische Tibi-Initiative und die Begleitmaßnahmen, die Frankreich ergriffen hat, um Initiatoren und Investoren wettbewerbsfähige Fondsstrukturen in Frankreich (namentlich die französische SLP) anbieten zu können.
Gestartet wurde die WIN-Initiative im Februar 2024. Unter der Leitung der KfW hat eine Expertengruppe aus Industrievertretern verschiedene Vorschläge erarbeitet. Welche davon sich die Politik zu eigen macht, wird mit Spannung erwartet.
In dem jüngsten Papier der Bundesregierung „Wachstumsinitiative – neue wirtschaftliche Dynamik für Deutschland“ vom 5. Juli 2024 finden sich erste Aussagen. Danach werden „insb. folgende Maßnahmen mit dem Ziel der Umsetzung erörtert“:
Die Regeln für Fonds, die unter das Investmentsteuergesetz fallen, sollen so angepasst werden, dass sie in gewerbliche Personengesellschaften und – so die Bundesregierung – „damit auch in VC-Fonds“ investieren können. Derzeit fürchten KVGen, durch solche Anlagen den Steuerstatus von Spezial-Investmentfonds zu gefährden.
Ferner soll es nach dem Papier Beteiligungsverkäufern ermöglicht werden, Gewinne aus dem Verkauf von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen auf andere Beteiligungen und ggf. weitere Anlagen zu übertragen. Da für institutionelle Investoren solche Gewinne fast oder vollständig steuerfrei sind, zielt dieser Vorschlag auf Privatpersonen ab (z.B. Erhöhung der Grenzen nach § 6b Abs. 10 EStG).
Es ist zu hoffen, dass dies nur der Anfang ist. Denn um Frankreichs Erfolg zu wiederholen, wird es weitere und weiter reichende Maßnahmen brauchen.
Der Beitrag beruht auf einem Vortrag des Autors, gehalten am 3. Juli 2024 auf der Fachtagung Impact & Infrastruktur 2024 der Pensions-Akademie in Frankfurt am Main.
Der Autor ist Anwalt, Steuerberater und Partner bei Clifford Chance in Frankfurt.
Von ihm sind zwischenzeitlich bereits auf ALTERNATIVES●INDUSTRIES / PENSIONS●INDUSTRIES erschienen:
Pensions-Akademie – Fachtagung Impact & Infrastruktur 2024 (I):
Zwischen positiven Initiativen und alten Mustern…
24. Juli 2024
Round Table der Pensions-Akademie – Kapitalanlage für AnlV-Investoren:
Ein Schritt vor, zwei zurück?
6. Oktober 2023
Anm. d. Red.: Zuweilen kommt es vor, dass in den Medien dieser Gruppe Beiträge erscheinen, die für die Leserschaft von PENSIONS●INDUSTRIES wie auch für die von ALTERNATIVES●INDUSTRIES interessant sind (wobei es zwischen beiden Leserschaften ohnehin eine erhebliche Schnittmenge gibt). Wenn dies der Fall ist, wird in den Medien querverwiesen. Besagte Schnittmenge der Leserschaft erhält an solche Tagen also – Pardon – zwei identische Newsletter.