Das schwedische Private Equity-Parkett ist in heller Aufruhr: Das Finanzamt hat zugeschlagen. Thema: Carried Interest, eine alte Streitfrage fast überall, wo General Partner Geschäft machen. Die Sache ist auch in Stockholm nicht neu, im Gegenteil, doch nun eskaliert sie. Dabei hatte man fast zwei Jahrzehnte Zeit, klare Regeln zu schaffen. Über einen Schwedenkrimi der ganz eigenen Art berichtet aus Stockholm Reiner Gatermann.
Es brodelte seit langem, genauer gesagt seit 2007. Doch jetzt kam es zum bisher schlimmsten Eklat: Das Stockholmer Finanzamt fordert von 67 zum Teil sehr prominenten Private Equity-Akteuren eine Steuernachzahlung von insgesamt 1,6 Mrd SEK, ungefähr 152 Mio. Euro. Und das nur für das Einkommensjahr 2021. In dem Betrag enthalten ist ein Strafzuschlag von 40%, was in Schweden die Regel ist.
„Die Fluchtpläne sollte man durchaus ernst nehmen.“
Die betroffenen Investoren – und einige ihrer Firmen – laufen Sturm, sie drohen angeblich gar mit der Auswanderung, war zu lesen. Professor Per Strömberg, Professor an der Königlichen Handelshochschule in Stockholm (Stockholm School of Economics) und ausgewiesener Experte in diesem Bereich, stellt gegenüber der Presse fest: „Die Fluchtpläne sollte man durchaus ernst nehmen.“

In dem Streit geht es, wie in vielen anderen Ländern (in Deutschland gibt es diverse Gerichtsurteile, welche die Finanzverwaltung verlor) auch, um die Besteuerung vom sogenannten „Carried Interest“. Hierbei handelt es sich im Grunde um in Unternehmen lagernde „Gewinnüberschüsse“, die eigentlich den Investoren zustehen, aber nicht direkt realisiert werden, sondern auf andere Kanäle, v.a. die General Partner, verteilt werden. Die große Frage ist, wie diese zum Teil beachtliche Beträge besteuert werden sollen: Als Einkommen aus Arbeit, was in Schweden einen Steuersatz von 50 bis 55% bedeuten würde, oder als Kapitaleinkommen, hier im Norden mit einem Steuersatz von 28 bis 30% belegt. Klar, wer welche Auffassung vertritt.
Klangvolle …
Es war vor ein paar Wochen die Tageszeitung Svenska Dagbladet – als unabhängig konservativ firmierend und ihrem nationalen Standing am ehesten mit der deutschen FAZ zu vergleichen –, die herausgefunden hatte, dass im Dezember letzten Jahres eine Sonderabteilung der Finanzbehörde mit dem imposanten Projektnamen „Ernste internationale Steuerhinterziehung und Steuermanipulation“ (AISS) die Ergebnisse zu drei umfassenden Ermittlungsverfahren vorlegte. Sie galten den Private Equity Unternehmen Triton, 3i und CVC Capital Partners. Das Interesse der AISS galt jedoch auch anderen „Risikokapitalfirmen“, wie sie häufig in Schweden genannt werden. Nicht zuletzt sticht dabei die schwedische EQT ins Auge, mit einem PE-AuM von rund 50 Mrd. Euro der größte Private Equity Player des Landes.
… und traditionsreiche Namen
Haupteigentümer der gelisteten Firma: Verschiedene Investmentzweige der bedeutendsten schwedischen Finanz- und Industriefamilie, der Wallenbergs. Auffällig ist, dass ihr Name in den bisher bekannt gewordenen Ermittlungen nicht in Erscheinung tritt. Dafür aber der Name Conni Jonsson (63), Urvater der schwedischen Private Equity-Industrie, 1994 Mitbegründer von EQT, bis 2014 dessen CEO und seitdem ihr Aufsichtsratsvorsitzender.

Jonsson wirft das Finanzamt für 2021 eine Steuerverkürzung von 123 Mio. SEK (etwa 11,7 Mio. Euro) vor, hinzu käme die übliche Strafabgabe von 49 Mio. SEK, ca. 4,6 Mio. Euro. Weitere 20 EQT-Partner stehen im Verdacht, nicht korrekte Einkommensangaben in Höhe von 550 Mio. SEK (etwa 47,7 Mio. Euro) gemacht zu haben.
Die schwarzen Peter …
Sachlich, aber offenbar nicht ohne Stolz berichtet Johannes Pedersen für Svenska Dagbladet von den „äußerst verwinkelten, sich über mehrere Inselnationen und Jurisdiktionen erstreckenden Ermittlungen.“ Auf dem Arbeitskonto seien rund 30.000 Tage verbucht, wohlgemerkt nur für den Einsatz seiner Abteilung, stellt der Chef der AISS fest.
„Wir haben die Regierung aufgefordert, für mehr vorhersehbare und stabilere Besteuerungsregeln zu sorgen.“
Während die Private Equity-Branche der Finanzbehörde vorwirft, ständig die Regeln zu ändern und neue Berechnungsgrundlagen zu schaffen, kontert Pedersen mit dem Hinweis, die Investoren hätten ständig nach Schlupflöchern und komplizierten Einkommensstrukturen gesucht. Zudem kann die Finanzbehörde darauf verweisen, dass in den Jahren 2017 und 2018 in ähnlich gelagerten Fällen Gerichte verschiedener Instanzen bereits ihrer Auffassung gefolgt sind.
… und bleibt nur Flucht?

Recht zurückhaltend waren bisher die Reaktionen von den verschiedenen Fronten dieses Konfliktes und der Politik. Der Branchenverband Swedish Private Equity & Venture Capital Association (SVCA) ist zwischenzeitlich beim Finanzministerium vorstellig geworden, um, so die Geschäftsführerin Isabella de Feudis gegenüber ALTERNATIVES●INDUSTRIES, „unsere Sicht der Lage nach den jüngsten Entscheidungen der Finanzbehörde zur Besteuerung der Risikokapitalinvestoren darzustellen“. Bei diesem Treffen habe die SVCA festgestellt, dass „mit den Beschlüssen der Finanzbehörde eine Situation der Unvorhersehbarkeit entstanden ist, so wie es sie bisher nicht gegeben hat“. Und weiter: „Wir haben die Regierung aufgefordert, für mehr vorhersehbare und stabilere Besteuerungsregeln zu sorgen.“ Schließlich, so die SVCA-Geschäftsführerin zu ALTERNATIVES●INDUSTRIES, habe man auf die Risiken und Konsequenzen verwiesen, die eine unsichere Rechtsgrundlage mit sich bringen würde. Sie betont ausdrücklich, „wir haben nicht mit einer Flucht ins Ausland gedroht, das liegt außerhalb unserer Statuten“. Manch ein schwedisches Medium hat hier derartiges vermeldet, dabei aber vermutlich etwas überspitzt.
Im Svenska Dagbladet schreibt die konservative Finanzministerin Elisabeth Svantesson, die Anfang des Jahres eine Branchendelegation empfangen hatte, offenbar sichtlich bemüht, die Wogen zu glätten: „Selbstverständlich ist es problematisch, wenn unser Regelwerk als unvorhersehbar empfunden wird. Die Private Equity-Branche ist wichtig für Schwedens Konkurrenzfähigkeit vor allem im Zeichen des Klimawandels.“

Ein leicht härterer Ton kommt von Niklas Karlsson, sozialdemokratischer Vorsitzender des parlamentarischen Steuerausschusses: „Die Risikokapitalisten widmen sich avancierter Steuerplanung, da müssen sie auch zu einer avancierten Überprüfung bereit sein.“ Karlsson vergisst auch nicht den Hinweis, dass es sich bei ihnen um einige der am höchsten bezahlten Bürger des Landes handelt. Die vorgebliche Drohung der Auswanderung beschreibt er als „nicht sehr nett“. Er könne sich auch neue schwedische Regeln und Gesetze vorstellen, um das System einfacher zu machen. Schließlich, so Karlsson, habe er nichts gegen die Risikokapitalisten, im Gegenteil. „Ich habe den Eindruck, sie wollen Rechtes tun.“ Der Politiker plädiert aber eher für eine internationale Lösung, möglichst initiiert von der OECD.
Zunächst gilt es aber, in Schweden die Gemüter zu besänftigen. Denn möglicherweise wird in der Branche doch konkret über Abwanderung nachgedacht? Svenska Dagbladet nennt zwei Beispiele:
Bereits im Oktober letzten Jahres etablierte Nordic Capital eine Gruppe, die eine Abwanderung vorbereiten solle. Zur Auswahl stehen anscheinend die Schweiz, Spanien oder London. Für Schweden wurde inzwischen ein Einstellungsstopp verhängt. Ähnliche Pläne würden bei EQT geschmiedet, wo die Wahl zwischen der Schweiz und London bestehe.
Es bleibt abzuwarten, ob sich der Sturm wieder legt. Sollten die Angelegenheiten wirklich vor Gericht gehen, wäre dies für die verlierende Seite eine sehr empfindliche Schlappe; andererseits ist es nur schwer vorstellbar, dass es in dieser vertrackten Sache nicht ein Gesetz in gegenseitigem Einvernehmen geben wird. Teil der Wahrheit ist aber auch: 16 Jahre sind es, die alle Seiten nun schon in diesem juristischen Gestrüpp herumwurschteln.

Das zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich hier.
Der Autor ist Deutscher, lebt und arbeitet aber seit rund fünf Jahrzehnten in Stockholm und war von 1980 bis1985 und von 1999 bis 2007 (dazwischen in London) der Nordeuropa-Korrespondent der Tageszeitung Die Welt.
In der Reihe Stockholm Live von Reiner Gatermann sind bisher auf PENSIONS●INDUSTRIES erschienen:
Stockholm Live (V):
„Gimme, gimme gimme my Tax“
3. Juni 2024
Stockholm Live (IV):
Nordische Kombination
12. April 2024
Stockholm Live (III):
„All das deutet in die falsche Richtung“
1. März 2024
Statens årskullsförvaltningsalternativ (II):
Rückennummer 7
4. Oktober 2022
Statens årskullsförvaltningsalternativ (I):
Nordish Pension by Nature
19. September 2022