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Politik fasst die Anlageverordnung bei Infrastruktur an:

Bald mit eigener Quote?

Die Asset-Klasse Infrastruktur genießt derzeit einen guten Ruf unter den Anlegern – renditestark, ausfallsicher, nachhaltig, Inflation-Hedge, großes Universum etc. pp. – im besten Fall alles zusammen. Eine Umfrage mit interessanten Ergebnissen stützt diesen Eindruck, und der deutsche Gesetzgeber pusht das Thema weiter. Ein wenig kommt auch Hegel ins Spiel.

Pro Infra zum Ersten: Flexiblere Bedeckung und Infrastrukturquote à la NRW

Wie auf der Schwesterplattform PENSIONSINDUSTRIES seit Monaten breit diskutiert, schickt sich die deutsche Politik bekanntlich an, das deutsche Betriebsrentenrecht substantiell anzupassen. Zwei Aspekte, die an sich nicht im Mittelpunkt der Reformen stehen, könnten hier Einfluss auf die Private Markets haben:

Stefan Nellshen (li.), Bayer-PK, mit Thomas Kaulisch, BMAS, auf der Cologne Confidential Vol 1 im Mai 2024. Foto: Caroline Gerst.

Erstens: die Flexibilisierung der Bedeckungsvorschriften für deutsche Pensionskassen, als Vorschlag der Praxis in seiner Genese untrennbar auch verbunden mit dem Namen Stefan Nellshen, Chef der Bayer-Pensionsvehikel. Unter bestimmten Voraussetzungen soll eine temporäre Unterdeckung einer Kasse erlaubt sein; nötig ist u.a. ein mit der BaFin vereinbarter Sanierungsplan mit Zusagen der der Arbeitgeber. Ergebnis wären zusätzliche Spielräume für Investments (§ 234j VAG-E); und die deutschen Pensionskassen verwalten immerhin gut 200 Mrd. AuM.

Ulf Steenken, Finanzministerium NRW.

Zweitens: In §§ 2, 3 AnlageV soll eine eigene neue Infrastrukturquote eingeführt werden, offenkundig dem Beispiel NRW folgend. Dort hat bekanntlich die Finanzaufsicht unter Leitung von Ulf Steenken für die Berufsständischen Versorgungswerke im März 2021 eine derartige Infrastrukturquote eingeführt, und bis heute hat das Landesfinanzministerium gute Erfahrungen damit gemacht.

Wie Aon zwischenzeitlich erläutert, soll die bisher nur für die Mischung der Anlageformen vorgesehene Öffnungsklausel in § 2 Abs. 2 i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 4 AnlV künftig auch für die Streuung auf Einzelinvestments gelten. Weiterhin sollen die Risikokapitalanlagequote nach § 3 Abs. 3 AnlV von 35 % auf 40 % erhöht und in § 3 Abs. 7 AnlV eine eigene Infrastrukturquote von 5% eingeführt werden, um ertragreichere Kapitalanlagen zu ermöglichen.

Ein ausführliches Interview mit Steenken in dieser Sache findet sich der Ausgabe Vol 12 der Tactical Advantage vom Dezember 2022, außerdem als pdf hier.

Ob die neue Quote bei den Pensionskassen Akzeptanz findet, dürfte allerdings auch davon abhängen, wie die BaFin sie in ihrem PK-Stresstest und überhaupt im VAG-Meldewesen behandelt (eine Frage, die sich bei den berufsständischen VV so nicht stellt). Das wird die Anstalt aber kaum kommunizieren, bevor das Gesetz nicht in Kraft ist. Man wird sehen.

Pro Infra zum Zweiten: Der Wille

Mit Hegel heißt es: „Die Wahrheit der Absicht ist nur die Tat selbst.“ Das bedeutet hier: Nur weil Pensionskassen nun mehr Bedeckungsflexibilität erhalten und darüber hinaus eine eigene Infra-Quote, müssen sie noch lange nicht mehr Infra zeichnen. Ist denn der Wille da?

AUSSERDEM AKTUELL IM PENSIONSINDUSTRIES Feuilleton:
Länder- und Städteberichte Deutschland und Europa:
London – Bermondsey und Borough Market

Licht ins Dunkel bringen kann vielleicht eine Umfrage, welche Palladio Partners bei ihrem jährlichem Investorentag am 19. Juni in Frankfurt unternommen haben:

Zumindest demnach wollen 84% der dort befragten 50 institutionellen Investoren mehr in europäische, aber auch in nordamerikanische Infrastruktur investieren (während der Rest der Welt als Ziel unter den befragten Investoren keine Priorität hat).

Auf die konkrete Frage „In welche Private-Markets-Anlageklassen würden Sie gerne mehr investieren als bisher?“ (Mehrfachnennungen möglich) nannten besagte 84% der Befragten Infrastruktur, gefolgt von Private Equity (52%) und Private Debt (42%). Immobilien stehen mit nur 8% nicht im Fokus.

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Angesichts der enormen Summen, die für die Erneuerung und den Ausbau von Infrastruktur notwendig sind, wäre eine höhere Allokation deutscher Investoren sehr wünschenswert“, kommentiert Michael Rieder, Managing Partner von Palladio Partners, „und viele würden auch gerne mehr investieren. Eine Verbesserung der regulatorischen Rahmenbedingungen in Deutschland würde hierbei sicher helfen.“

Michael Rieder, Palladio Partners.

Nun, eben diese wird es also wenn denn die gesetzgeberischen Dinge im Lande ihren störungsfreien Laufe nehmen – zumindest für deutsche Pensionskassen bald geben. Man muss kein Prophet sein, um zu ahnen, dass auch die berufsständischen Versorgungswerke außerhalb NRWs bald diese Möglichkeiten erhalten werden.

Home Bias bei Infra

Zurück zu der Palladio-Umfrage: 50% der befragten Investoren geben an, dass sie ihre Infrastrukturinvestments in den kommenden Jahren v.a. in Europa steigern werden. An zweiter und dritter Stelle folgen Nordamerika (27%) und explizit Deutschland (19%). Nur jeweils ein Investor gab an, seine Investitionen vor allem in der APAC-Region oder in Südamerika hochfahren zu wollen. Die SSA- und MENA-Regionen werden laut dieser Umfrage von keinem Investor priorisiert.

Was sie antreibt

Jeweils knapp zwei Drittel der Investoren gaben an, dass Risikomanagement (66%), Regulatorik (60%) und ESG-Anforderungen (60%) die Themen sind, die ihre Investmententscheidungen in den kommenden Monaten am meisten beeinflussen werden. Die Möglichkeit der Impact-Messung beeinflusst nur knapp ein Viertel der Investoren (24%).

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Die Umfrage bestätigt unsere Beobachtung, dass Impact-Messung oft noch kein Thema bei unseren Investoren ist. Grund dafür ist, dass es bei vielen noch keine Impact-Strategie gibt“, erläutert Barbara Treusch, Director bei Palladio Partners und mitverantwortlich für das Nachhaltigkeitsreporting an Kunden.

Barbara Treusch, Palladio Partners.

„Dennoch ist vielen unserer Kunden die Zukunftsfähigkeit ihrer Investments wichtig. Für sie ergibt sich ein logisches Zusammenspiel von allen Themen: ESG und Impact spielen da vor allem auch in das Risikomanagement mit hinein.“

Palladio Partners Investorentag in Frankfurt.