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Lurse Round Table Pensionskassen zur AnlV:

Weniger Einschränkungen mit Einschränkungen

Nach der Blitz-Reform der Anlageverordnung: Ein Consultant ließ eine Reihe von Vorständen deutscher Pensionskassen das Für und Wider der Anpassungen des Regelwerkes in der Anlagepraxis diskutieren. Der Gesamteindruck: Klar positiv. Doch gilt es, auf die Details zu achten. Susanne Lang und Utta Kuckertz-Wockel waren dabei.

Neulich, 26. März: Lurse Round Table Pensionskassen. Auf der Agenda: Anpassung der Anlageverordnung. Auf dem Podium: Frank Oliver Paschen, Chef der Pensionskasse der Hamburger Hochbahn Aktiengesellschaft VVaG, der die Neuerungen für die elf Teilnehmer aus der Pensionskassenpraxis in seinem Vortrag einordnet (wie meist aufPENSIONSINDUSTRIES alle Aussagen im Indikativ des Referenten):

Alles neu machte der Februar

Die AnlV an sich: Die Verordnung konkretisiert die qualitativen und quantitativen Vorgaben für die Anlage des Sicherungsvermögens. Sie gilt direkt für kleine Versicherungsunternehmen, die nicht Solvency-II unterliegen, sowie für Sterbe- und Pensionskassen. Zusätzlich fallen einige Investoren (insb. Versorgungswerke, vorneweg NRW) kraft Landesrechts mittelbar unter die Regulierung.

Frank Oliver Paschen, PKH.

Die Beschränkungen: Die AnlV wurde in der Vergangenheit häufig dafür kritisiert, dass sie zeitgemäße, breit diversifizierte und renditeorientierte Kapitalanlage nur eingeschränkt zuließ. Insbesondere bemängelten Experten, dass die strikten Vorgaben der Verordnung es institutionellen Investoren erschwerten, innovative Anlagestrategien umzusetzen oder von renditestarken Anlageklassen zu profitieren. Schon lange forderten Investoren ein Update.

Die AnlV im BRSG 2.0-E: Ursprünglich war die Reform der Verordnung Bestandteil des Entwurfes für das Zweite Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung weiterer Gesetze, also dem BRSG 2.0. Nach dem Ampel-Aus wurde dieses Gesetzgebungsverfahren bekanntlich gestoppt. Jedoch gab das BMF am 5. Februar überraschend bekannt, dass die Änderungen an der AnlV isoliert in Kraft treten sollen. Nur einen Tag später wurde die„8. Verordnung zur Änderung von Verordnungen nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz vom 31. Januar 2025“ im Bundesgesetzblatt verkündet und trat bereits am 7. Februar 2025 in Kraft. Inhaltlich unverändert werden die schon im Regierungsentwurf zum BRSG 2.0 vorgesehenen Anpassungen übernommen.

Mehr Spielraum auch bei Alternatives …

Das Neue: Mit den Anpassungen wird die Risikokapitalanlagenquote nach § 3 Abs. 3 Satz 1 AnlV von 35 auf 40% des Sicherungsvermögens angehoben. Darunter fallen neben Anlagen in Aktien, nachrangigen Forderungen, Genussrechten etc. auch alternative Anlageklassen wie bspw. Private Equity, Private Debt, Hedgefonds oder Immobilien. Mit der Erhöhung der Quote wird der Spielraum in der Kapitalanlage erweitert.

Jedoch, wie Paschen betont: Trotz der Erweiterung der Quote müssen die Grundsätze des § 1 Abs. 3 und 4 AnlV beachtet werden. Daraus folgt, dass eine Nutzung der erweiterten Quote für risikobehaftete Anlagen nur erfolgen kann, wenn das Anlage- und Risikomanagement, die internen Kapitalanlagegrundsätze sowie die Risikotragfähigkeit der Pensionskasse dies zulassen.

in der echten Praxis

Insgesamt sieht der Referent hier eine durchaus praxisrelevante Neuerung der AnlV. Denn bislang bestand die Gefahr, dass bei einer nahezu ausgeschöpften Quote allein infolge von Kurswertsteigerungen Bestandsverkäufe getätigt werden mussten, um die Quote nicht zu reißen. Eben dieses Problem mildert sich nun durch die Anhebung.

Paschens Zwischenfazit: Die aufgebohrte Risikokapitalanlagenquote ermöglicht institutionellen Anlegern mehr Investments in Risikokapital, insb. bietet sie aber auch mehr Spielraum bei guter Performance im Bestand, erläuterte Paschen.

Öffnungsklausel offener

Weiter sieht die Verordnung nun eine flexiblere Öffnungsklausel (§ 2 Abs. 2 AnlV) vor – für Paschen die kleinste und unbedeutendste Änderung. Die Öffnungsklausel ermöglicht – selbstverständlich unter Berücksichtigung der absoluten Anlageverbote – Kapitalanlagen in Positionen, die entweder im sog. Anlagekatalog des § 2 Abs. 1 nicht genannt werden, die dort genannten Voraussetzungen nicht erfüllen, die Begrenzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 1-3 und Abs. 3-5 übersteigen oder – nun neu – die Streuungsgrenzen des § 4 Abs. 1-4 übersteigen.

Die novellierte AnlV erlaubt es nun also, die Öffnungsklausel auch für solche Anlagen zu nutzen, die die Streuungsgrenzen nach § 4 Abs. 1-4 überschreiten.

Eine quantitative Ausdehnung der Öffnungsklausel ist jedoch nicht erfolgt: Es bleibt bei einer Begrenzung auf 5% des Sicherungsvermögens verbunden mit der Möglichkeit einer individuellen Erhöhung auf 10% mit Genehmigung der Aufsicht.

Gemäß der Erläuterung des Gesetzgebers soll diese Anpassung dazu beitragen, eine größere Flexibilität bei der Allokation von Kapital auf einzelne Schuldner oder spezifische Investitionsmöglichkeiten zu ermöglichen. Dadurch werden die Rahmenbedingungen für Anlagen geschaffen, die potenziell höhere Erträge generieren können, indem Investoren stärker auf lukrative, jedoch weniger breit gestreute Anlageoptionen zugreifen dürfen. Ziel dieser Regelung ist es, die Investitionsspielräume institutioneller Anleger zu erweitern, ohne dabei die übergeordneten Anlagegrundsätze vollständig aus den Augen zu verlieren.

Mit Blick auf das eigene Haus hat diese Änderung für Paschen keinerlei praktische Relevanz für das Kapitalanlagenmanagement. Er hält die Änderung auch für nicht unbedingt zielführend, da sie im Grunde genommen das Klumpenrisiko in der Kapitalanlage begünstigt, indem sie verstärkt Investitionen in identische Vermögenswerte fördert.

Von gesteigerter Relevanz in der Praxis kann sich jedoch die nun erlaubte Anwendung der Öffnungsklausel auf Investitionen in geschlossene Fonds, die die in § 4 Abs. 4 Satz 1 AnlV festgelegte „1%-Streuungsgrenze“ überschreiten, herausstellen.

Die eigene Quote für Infrastruktur

Um die Investitionstätigkeit in Infrastrukturprojekte zu stärken, wurde eine gesonderte Infrastrukturquote in Höhe von 5% des Sicherungsvermögens eingeführt. Diese Quote bezieht sich auf sowohl direkte als auch indirekte Investitionen, die der Finanzierung von Infrastruktureinrichtungen und Infrastrukturunternehmen dienen (§ 3 Abs. 7 Satz 1).

Solche Investitionen müssen gemäß § 2 Abs. 1 AnlV zulässig sein und den Zweck erfüllen, Infrastruktur zu errichten, auszubauen, zu sanieren, zu erhalten, bereitzustellen, zu halten, zu betreiben oder zu bewirtschaften (§ 3 Abs. 7 Satz 2).

Was ist was?

Ein verbindlich festgelegter Infrastrukturbegriff existiert derzeit nicht. Die BaFin hat hierzu bislang keine weiterführenden Informationen veröffentlicht. Paschen rät daher, sich an den sektoralen Definitionen aus dem Solvency-II-Regelwerk oder an früheren Stellungnahmen der BaFin zur Auslegung des KAGB zu orientieren.

Der Infrastrukturbegriff wird sich aus der Praxis heraus entwickeln.“

Zu den relevanten Sektoren zählen insb. Wasserwirtschaft, Abwasserentsorgung, Abfallwirtschaft, Elektrizitätsversorgung, Gasversorgung, Transportwesen, Telekommunikation sowie die soziale Infrastruktur. „Der Infrastrukturbegriff wird sich einfach aus der Praxis heraus entwickeln“, so Paschen.

Investitionen, die unter die neue Infrastrukturquote fallen, werden nicht mehr auf die bisherigen Mischungsquoten gemäß § 3 Abs. 1 bis 6 AnlV (bspw. der Risikokapitalanlagen- bzw. der Immobilienquote) angerechnet. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass Infrastrukturinvestitionen eigenständig behandelt werden und nicht mit anderen Anlageklassen in Konkurrenz stehen, wodurch ihre Attraktivität gesteigert werden soll. Gleichzeitig sollen politisch gewollte Infrastrukturinvestments erleichtert werden.

Es geht auch anders

Der Regierungsentwurf macht darüber hinaus deutlich, dass die Infrastrukturquote nicht als Obergrenze zu verstehen ist und auch nicht auf andere Mischungsquoten anzurechnen ist. Vielmehr können Infrastrukturinvestitionen, je nach ihrer spezifischen Anlageform, gemäß § 2 Abs. 1 AnlV auch im Rahmen anderen Mischungsquoten zugeordnet werden und müssen nicht der Infrastrukturquote zugeordnet werden. Paschen berichtete, dass seine Pensionskasse in der zweiten Jahreshälfte 2025 Infrastrukturinvestitionen prüfen wird.

Fazit: Die Sache hat Potential

Paschens Bilanz: Die Änderungen der Anlageverordnung fördern eine modernere und diversifiziertere Kapitalanlage. Während die Erweiterung der Öffnungsklausel nur begrenzt praxisrelevant ist, bieten die Erhöhung der Risikokapitalanlagenquote und die Einführung der Infrastrukturquote erhebliches Potenzial. Insbesondere die Infrastrukturquote stärkt Investitionen in nachhaltige und gesellschaftlich relevante Projekte. Damit schafft die Verordnung mehr Flexibilität für Anleger und unterstützt zukunftsorientierte Investitionen.

Stimmen der Teilnehmer

Im folgenden sechs Statements aus der Pensionskassenpraxis zur Reform der Anlageverordnung, die auf dem Round Table getätigt wurden:

Thomas Bäuml, HEAG.

Die Änderungen der Anlageverordnung bewerten wir positiv. Die Beteiligungsquote hatten wir bisher fast ausgeschöpft; durch die Einführung der Infrastrukturquote ergeben sich nun zusätzliche Investitionsmöglichkeiten. Als langfristiger Pensionsanleger stellen illiquide Investments für uns auch aus strategischer Sicht kein Problem dar. Wir begrüßen auch die Erleichterung bei der Streuungsquote für Anlagen in der Öffnungsklausel. Fonds, die trotz hoher Streuung auf Einzelanlagen unter die 1%-Klausel gefallen sind, sind für uns nun einfacher investierbar.“

Thomas Bäuml, Vorstandsvorsitzender, HEAG Pensionszuschusskasse VVaG, Darmstadt

Grundsätzlich begrüßen wir eine höhere Flexibilität in der Kapitalanlage. Derzeit hat die Reform der Anlageverordnung jedoch keine wesentlichen Auswirkungen auf unsere Pensionskasse, da wir die Risikokapitalanlagenquote bei Weitem nicht ausschöpfen. Unsere Infrastrukturquote liegt zwar bei 5%, für eine Umschichtung sehen wir aktuell jedoch keine Notwendigkeit. Die neue Infrastrukturquote kann jedoch für die Zukunft – nicht zuletzt aufgrund des Investitionsstaus in Deutschland – recht interessant sein.“

Dominik Herting PK, Deutscher Genossenschaften.

Dominik Herting, Vorstand, Pensionskasse Deutscher Genossenschaften VVaG, Münster

Für uns spielt die Reform aktuell keine Rolle. Wir sind in unserer Kapitalanlage sehr stabil und sind seit Jahren viel in erneuerbare Energien investiert. Das heißt jedoch nicht, dass wir die Änderungen der Anlageverordnung in den kommenden Jahren nicht nutzen werden.“

Gabriele Mazarin, Philips Pensionskasse.

Gabriele Mazarin, Vorstand, Philips Pensionskasse VVaG, Hamburg

Marcus Mall, Geno Pensionskasse.

Für uns ist die Veränderung sehr willkommen und wertvoll. Wir fahren vom grundsätzlichen Ansatz eine paritätische Beteiligung zwischen verzinslichen und alternativen Anlagen. Unser relativ hoher Anteil an überwiegend risikoarmen Infrastrukturfonds belastete bisher vollständig die Risikokapitalanlagenquote. Mit der Erhöhung dieser Quote und der Schaffung einer eigenen Infrastrukturanlagenquote kann dieses Ziel deutlich einfacher erreicht werden. Die Reform der Öffnungsklausel hat für uns keine Auswirkungen. Wünschenswert wäre nun konsequenterweise auch eine angemessene Berücksichtigung von Infrastrukturinvestitionen im jährlichen Stresstest der BaFin.“

Marcus Mall, Vorstand, Geno Pensionskasse VVaG, Karlsruhe

Frank Oliver Paschen, PKH.

Die Änderungen der Anlageverordnung spielen nur für die Pensionskassen eine Rolle, die sich auch eine offensivere Kapitalanlage leisten können. Voraussetzung ist, dass die Kassen Risikokapital und Solvenz haben.“

Frank Oliver Paschen, Mitglied des Vorstandes, Pensionskasse der Hamburger Hochbahn Aktiengesellschaft VVaG, Hamburg

Thomas Huth, Lurse.

Infrastrukturinvestitionen stehen seit geraumer Zeit im Fokus der Pensionskassen, da sie langfristig attraktive und vergleichsweise sichere Cashflows generieren. Auch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist ein stärkeres Engagement in diesem Bereich zu begrüßen, da es dringend benötigte Investitionen in den Kapitalstock ermöglicht. Alles in allem eine gelungene Reform, die den Handlungsspielraum an entscheidenden Stellen deutlich erweitert und damit die Effizienz der Kapitalanlage erhöht.“

Thomas Huth, Partner, Lurse, Frankfurt am Main

Die Autorinnen:

Susanne Lang ist Senior Consultant Legal bei Lurse. 

Utta Kuckertz-Wockel ist Senior Managerin bei Lurse.

Von ihnen und anderen Autorinnen und Autoren der Lurse sind zwischenzeitlich bereits auf PENSIONSINDUSTRIES / ALTERNATIVESINDUSTRIES erschienen:

Lurse Round Table Pensionskassen zur AnlV:
Weniger Einschränkungen mit Einschränkungen
von Susanne Lang und Utta Kuckertz-Wockel, 12. Mai 2025

Wertpapiergebundene Zusage Allianz Plug-In Pension:
Auf Knopfdruck für den Mittelstand
von Michaela Sommer und Adelheid Lanz, 29 April 2025

Talking Heads TacAd Vol 15 – Lurse, BMW, Bosch, Henkel:
Von Bagatelleanwartschaften und Opting-out
Interview geführt von Utta Kuckertz-Wockel, im Dezember 2025

Zeitgemäße Benefits:
Die Betriebsrente gehört immer dazu
von Sandra Mekler und Philipp Dienstbühl, 11. Dezember 2024

Lurse Round Table Pensionskassen – BRSG 2.0 (VI):
Der Blick auf die Pensionskassen, namentlich ...
von Utta Kuckertz-Wockel, 7. November 2024

Kommunikation und Mitarbeiterportale:
Tue bAV – und rede darüber!
von Anika Krist und Carsten Ganz, 24. April 2024

Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz:
Von der Übergangszeit zur Automatisierung
von Dr. Stefan Birkel, 16. Februar 2024

Lurse Round Table:
Wenn drei Große gleichzeitig schwächeln …
von Utta Kuckertz-Wockel, 23. Januar 2024

Lurse-Webinar am 7. Dezember:
Neugestaltung einer bAV nach Konzernausgliederung
von Utta Kuckertz-Wockel, 21. November 2023

Lurse Round Table „Frauen in der bAV“:
Update aus der Wilhelmstraße
von Utta Kuckertz-Wockel, 26. Juli 2023

Betriebliche Altersversorgung:
Ordnung ist das halbe ...
von Miroslaw Staniek. 5. Juli 2023

Lurse Round Table „Frauen in der bAV“:
Munter“ in das Jahr
von Utta Kuckertz-Wockel, 6. Februar 2023

Lurse Round Table „Pension Asset Management“:
In dieser Form noch nicht erlebt“
von Utta Kuckertz-Wockel, 12. Dezember 2022

Kostenloses Webinar zu Zeitwertkonten:
Viele Wege, keine Blaupause ...
von Utta Kuckertz-Wockel, 1. September 2022

Lurse Round Table Frauen in der bAV:
Viele offene Türen
von Utta Kuckertz-Wockel, 1. August 2022

Das BMAS zu Perspektiven in der Altersversorgung:
Es hat nicht an dem Gesetz gelegen“
von Utta Kuckertz-Wockel, 20. Juni 2022

In den Zeiten des Fachkräftemangels:
Multimediale bAV-Kommunikation stärkt Mitarbeiterbindung
von Adelheid Lanz, 24. März 2022

Rethinking Pension:
Inflation enteignet
von Utta Kuckertz-Wockel, 17. Februar 2022

Round Table Frauen in der bAV (II):Covid, Frauen, bAV ...
Corona vertieft Pension Gap
von Utta Kuckertz-Wockel, 12. Juli 2021

Round Table Frauen in der bAV (I):
Zwischen Eis und Pipeline
von Utta Kuckertz-Wockel und Isabel Noe, 8. Juni 2021

REthinking Pensions:
auch außerhalb eines Sozialpartnermodells
von Utta Kuckertz-Wockel und Matthias Edelmann, 8. Januar 2021

Studie: Das BRSG …
und der Verlauf der Entgeltumwandlung
von Miroslaw Staniek und Björn-Schütt-Alpen, 9. November 2020